Klimareporting Blog › Sinn und Unsinn von Benchmarks und Branchenvergleichen bei Scope 1, 2 und 3

|  03. Juni 2024

Sinn und Unsinn von Benchmarks und Branchenvergleichen bei Scope 1, 2 und 3

Nach Erstellung ihrer Treibhausgasbilanz suchen Unternehmen verständlicherweise oft nach Vergleichsmöglichkeiten, um ihre Emissionen über Scope 1, 2 und 3 einzuordnen. Benchmarks und Branchenvergleiche können wertvolle Orientierung bieten und besonders für Einsteiger motivierend sein. In diesem Artikel erfahren Sie, warum solche Vergleiche manchmal irreführend sein können und wie man sinnvoll damit umgeht.

🕓 Lesezeit 12 Minuten

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1. Der Reiz von Benchmarks und Branchenvergleichen

 

In der Welt des CO2-Reportings suchen Unternehmen oft nach Vergleichsmöglichkeiten, um ihre eigenen Emissionen einschätzen zu können. Benchmarks und Branchenvergleiche bieten scheinbar eine nützliche Perspektive, wie gut ein Unternehmen im Vergleich zu anderen steht. Sie bieten eine Orientierung und können motivierend wirken, besonders für Unternehmen, die ihre ersten Schritte im Bereich des CO2-Reportings machen.

Beispielsweise könnte ein neu gegründetes Technologieunternehmen durch einen Branchenvergleich feststellen, dass es deutlich effizienter arbeitet als etablierte Konkurrenten, was eine ausgezeichnete Marketingbotschaft sein kann.

2. Sind Branchenvergleiche für die CO2-Bilanz sinnvoll?

 

Vorsicht bei unterschiedlicher Größe, Geschäftsmodell, und geografischer Lage

Obwohl Benchmarks und Branchenvergleiche als Instrumente zur Einschätzung der Umweltleistung eines Unternehmens nützlich erscheinen können, bringen sie auch signifikante Einschränkungen mit sich.

Die Unterschiede zwischen Unternehmen, auch innerhalb derselben Branche, können in Bezug auf Größe, Geschäftsmodell, Produktionsmethoden und geografische Lage erheblich sein. Diese Unterschiede können dazu führen, dass Branchenvergleiche nicht nur unzureichend, sondern auch irreführend sind.

 

Beispiel: Zwei Unternehemen in der “Elektronikherstellung”

Ein anschauliches Beispiel hierfür bieten Produktionsbetriebe. Zwei Unternehmen in derselben Branche könnten völlig unterschiedliche Produkte herstellen, die unterschiedliche Rohstoffe erfordern und unterschiedliche Herstellungsprozesse nutzen.

  • Ein Unternehmen könnte beispielsweise komplexe Elektronikkomponenten herstellen, die präzise und saubere Produktionsumgebungen erfordern und auf seltenen, schwer zu beschaffenden Rohstoffen basieren.
  • Ein anderes Unternehmen derselben Branche könnte hingegen einfache Haushaltsgeräte produzieren, die aus weit verbreiteten und weniger kostspieligen Materialien gefertigt werden.

Trotz ihrer Zugehörigkeit zur selben allgemeinen Kategorie “Elektronikherstellung” würden die spezifischen Emissionsprofile und Umweltbelastungen dieser beiden Unternehmen stark voneinander abweichen.

 

Die Komplexität und Einzigartigkeit jedes Unternehmens machen es deutlich, dass Branchenvergleiche und Benchmarks, obwohl hilfreich für eine grobe Orientierung, oft nicht ausreichen, um eine faire und genaue Bewertung der Umweltleistung eines Unternehmens zu gewährleisten. Eine tiefere Analyse, die die spezifischen Geschäftsmodelle und operativen Kontexte berücksichtigt, ist erforderlich, um eine wirklich sinnvolle Einschätzung vorzunehmen.

 

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3. Einfluss von Zugang zu erneuerbaren Energien und betrieblicher Effizienz bei Scope 1 und 2

 

Das Verhältnis von Zugang zu erneuerbaren Energien und betrieblicher Effizienz spielt eine kritische Rolle in der Bewertung der Treibhausgasbilanz (THG) eines Unternehmens. Dieses Verhältnis beeinflusst, wie aussagekräftig Vergleiche hinsichtlich THG-Bilanz, vor allem hinsichtliche Scope 1 und 2, mit anderen Unternehmen der eigenen Branche wirklich sind. Solche Vergleiche können leicht in die Irre führen, wenn sie nicht alle relevanten Faktoren berücksichtigen.

Unterschiedliche Zugänglichkeit erneuerbarer Energien

Zwei Unternehmen in der gleichen Branche können sich erheblich in ihrer CO2-Bilanz in Scope 1 und 2 unterscheiden, einfach aufgrund der unterschiedlichen Verfügbarkeit erneuerbarer Energiequellen. Ein Unternehmen in einem Land mit gut ausgebauter Infrastruktur für erneuerbare Energie wird wahrscheinlich niedrigere THG-Emissionen aufweisen als ein vergleichbares Unternehmen in einem Land, das hauptsächlich auf fossile Brennstoffe angewiesen ist.

Ein direkter Vergleich von Scope 1 und 2 würde hier zu dem Trugschluss führen, dass das erstgenannte Unternehmen “umweltfreundlicher” operiert, obwohl die Unterschiede möglicherweise vollständig auf externen Faktoren wie der Energiepolitik und nicht auf unternehmensinternen Bemühungen beruhen.

Einfluss der betrieblichen Effizienz

Gleichermaßen kann ein Unternehmen, das keinen gleichwertigen Zugang zu erneuerbaren Energien hat, aber seine Produktionsprozesse effizient optimiert, diese Bemühungen in einem einfachen Vergleich der THG-Emissionen innerhalb der Branche nicht sichtbar machen.

 

Diese Beispiele unterstreichen die Notwendigkeit einer nuancierten Betrachtung bei Branchenvergleichen. Einfache Vergleiche der THG-Bilanzen geben oft kein vollständiges Bild der Umweltleistungen eines Unternehmens wieder. Sie können zu falschen Schlussfolgerungen führen, insbesondere wenn sie die zugrundeliegenden Unterschiede in Bezug auf Zugang zu erneuerbaren Energien und betriebliche Effizienz nicht berücksichtigen.

4. Komplexität und Vergleichsproblematik bei Scope 3

 

Scope 3 umfasst alle indirekten Emissionen, die in der gesamten Wertschöpfungskette eines Unternehmens anfallen, einschließlich Emissionen von Zulieferern und aus der Entsorgung von Produkten. Dieser Bereich ist besonders umfangreich und komplex, da er eine Vielzahl unterschiedlicher Emissionsquellen abdeckt, die nicht direkt vom berichtenden Unternehmen kontrolliert werden.

Die Wesentlichkeitsanalyse und ihre Auswirkungen auf Scope 3

Eine Wesentlichkeitsanalyse kann bestimmen, welche Teile der Wertschöpfungskette und welche Emissionen in den Scope 3 eines Unternehmens einfließen und welche ausgeschlossen werden können. Die Analyse hilft Unternehmen, die für ihre spezifischen Geschäftsaktivitäten relevantesten Emissionsquellen zu identifizieren und zu priorisieren.

Aufgrund dieser individuellen Bewertung kann der Umfang von Scope 3 beträchtlich zwischen verschiedenen Unternehmen variieren, selbst innerhalb der gleichen Branche.  Ein Unternehmen, das bestimmte Emissionsquellen in Scope 3 einbezieht, während ein anderes diese möglicherweise ausschließt, kann nicht objektiv verglichen werden.

Dies kann zu dem Trugschluss führen, dass ein Unternehmen aufgrund seiner spezifisch gewählten Grenzen der Berichterstattung umweltfreundlicher oder weniger umweltfreundlich erscheint, als es tatsächlich ist.

Schlussfolgerung

Die Komplexität von Scope 3 und die Unterschiedlichkeit in der Anwendung der Wesentlichkeitsanalyse machen es schwierig, faire und aussagekräftige Vergleiche zwischen den Emissionsbilanzen verschiedener Unternehmen zu ziehen. Es ist wichtig, dass Unternehmen und Stakeholder diese Faktoren berücksichtigen und vorsichtig mit Interpretationen und Schlussfolgerungen umgehen, die auf solchen Vergleichen basieren.

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5. Das Risiko kurzfristiger Zielsetzungen für den Branchenvergleich

 

Branchenvergleiche stellen eine verführerische Möglichkeit dar, scheinbare Erfolge in der Unternehmensleistung schnell und effizient nachzuweisen. Diese Praktik birgt jedoch die Gefahr, dass Unternehmen sich verstärkt auf kurzfristige Zielsetzungen konzentrieren, welche die eigentliche Absicht einer nachhaltigen Entwicklung untergraben können. Dies führt häufig zu einer oberflächlichen Herangehensweise, die langfristige und tiefgreifende Umweltstrategien vernachlässigt.

 

Beispiel: Outsourcing von emissionsintensiven Tätigkeiten

Outsourcing von emissionsintensiven Prozessen ist eine Methode, mit der Unternehmen ihre CO2-Emissionen kurzfristig senken, indem sie bestimmte Produktionsschritte an externe Dienstleister verlagern, oft in Länder mit weniger strengen Umweltauflagen. Diese Praxis führt zu einer sichtbaren Reduktion der Emissionen in den Scopes 1 und 2 des Unternehmens, da die Emissionen jetzt in Scope 3, also den indirekten Emissionen der Wertschöpfungskette, erscheinen.

Probleme und langfristige Auswirkungen:

  • Verschiebung statt Reduktion von Emissionen: Die Gesamtemissionen werden nicht tatsächlich reduziert, sondern lediglich verschoben. Dies kann zu einem Anstieg der globalen Emissionen führen, insbesondere wenn der externe Anbieter ineffizientere Technologien nutzt.
  • Reputationsrisiken: Die Praxis kann langfristig als Greenwashing wahrgenommen werden, da das Unternehmen die Verantwortung für die Emissionen auf andere überträgt.

 

Um diese Fallstricke zu vermeiden, sollten Unternehmen eine ganzheitliche Sichtweise einnehmen, die nicht nur kurzfristige Gewinne, sondern langfristige, nachhaltige Erfolge in den Vordergrund stellt. Dies erfordert oft eine kritische Analyse der eigenen Prozesse, eine feste Verankerung von Umweltzielen in der Unternehmenskultur sowie die Bereitschaft, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten an diesen Zielen festzuhalten.

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6. Welche Vorteile bietet der Vergleich mit sich selbst?

 

Ein Vergleich mit sich selbst, also das Messen eigener Fortschritte im Zeitverlauf, bietet gegenüber einem Branchenvergleich mehrere entscheidende Vorteile. Diese Unterschiede werden besonders dann deutlich, wenn es um die Optimierung interner Prozesse, das Verfolgen langfristiger Ziele und die authentische Darstellung des eigenen Engagements für Nachhaltigkeit geht.

1. Spezifische Anpassung an Unternehmensbedingungen

Interne Vergleiche erlauben es einem Unternehmen, Maßnahmen genau auf seine speziellen Anforderungen abzustimmen. Im Gegensatz zu einem allgemeinen Branchenvergleich können interne Analysen tiefergehende Einblicke in unternehmensspezifische Herausforderungen wie saisonale Schwankungen oder die Auswirkungen neuer Technologien geben.

2. Kontinuierliche Verbesserung und Langfristige Ziele

Ein Vergleich mit sich selbst fördert kontinuierliche Verbesserungen, indem er auf langfristige Ziele statt auf kurzfristige Benchmarks setzt. Unternehmen können eigene Fortschritte über Jahre hinweg verfolgen und so sicherstellen, dass sie nachhaltige Strategien entwickeln, die über zeitlich begrenzte Leistungssteigerungen hinausgehen. Dies steht im Kontrast zu Branchenvergleichen, die oft dazu führen, dass Unternehmen kurzfristige Maßnahmen ergreifen, um in Rankings besser dazustehen, ohne dabei echte oder nachhaltige Verbesserungen zu erzielen.

3. Vermeidung von Irreführung durch externe Faktoren

Branchenvergleiche können irreführend sein, da sie externe Faktoren wie regionale Vorschriften, Marktdynamiken oder unterschiedliche wirtschaftliche Bedingungen nicht immer angemessen berücksichtigen. Ein Unternehmen, das sich mit seinen eigenen historischen Daten vergleicht, vermeidet diese Fallstricke und erhält ein klareres Bild seiner tatsächlichen Leistung und des Fortschritts.

4. Gesteigerte Transparenz und Glaubwürdigkeit

Unternehmen, die ihre Fortschritte selbst überwachen und diese Informationen transparent kommunizieren, bauen Vertrauen bei Stakeholdern auf. Es ist normal, am Anfang in einigen Bereichen hohe Emissionswerte zu haben. Dies sollte nicht als Nachteil angesehen werden, sondern als Ausgangspunkt für Verbesserungen. Diese Art von Berichterstattung wird oft als glaubwürdiger angesehen als die bloße Teilnahme an Branchenrankings, die durch verschiedene Manipulationen verzerrt sein können. Kunden, Investoren und andere Interessengruppen schätzen Unternehmen, die offene und nachvollziehbare Daten über ihre Klimaleistungen bereitstellen.

7. Fazit: Wie nun am besten vergleichen?

 

Interne Vergleiche bieten den Unternehmen zielgerichtete Einblicke, die maßgeschneiderte Verbesserungsstrategien ermöglichen, insbesondere im Bereich der Emissionsreduktion. Sie erlauben es, Fortschritte klar zu dokumentieren, wodurch nicht nur interne Motivation, sondern auch externe Glaubwürdigkeit gestärkt wird.

Im Gegensatz dazu können Branchenvergleiche irreführend sein, da sie nicht immer die spezifischen Umstände jedes Unternehmens berücksichtigen und oft zu kurzfristig orientierten Entscheidungen führen. Daher sollten sie nur vorsichtig genutzt werden und nicht als Grundlage für Kommunikation und Entscheidungen dienen.

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