|  29. April 2024

Net-Zero (Netto-Null) erklärt: Wie der SBTi Net Zero Standard die alte Klimaneutralität ablöst

Die Bekämpfung des Klimawandels fordert innovative Ansätze und fundierte Zielsetzungen. Der Corporate Net Zero (Netto-Null) Standard der SBTi bietet einen wissenschaftsbasierten Rahmen, der Unternehmen weltweit bei der Festlegung ihre Klimaziele anleitet und auch für CSRD-betroffene Unternehmen genutzt werden kann. Dieser Blogbeitrag erläutert die entscheidenden Unterschiede bezüglich Herangehensweise und Scope-Umfang zwischen dem neuen “Netto-Null”-Konzept und der bisher weit verbreiteten “Klimaneutralität”.

🕓 Lesezeit 8 Minuten

Klimaneutralität Unternehmen

1. Einführung: Was bedeutet Netto-Null?

 

Netto-Null ist ein Begriff, der zunehmend in Diskussionen über Klimaschutz und nachhaltige Unternehmensführung auftaucht. Aber was bedeutet er genau und wie unterscheidet er sich von ähnlichen Konzepten wie Klimaneutralität?

Der Begriff “Netto-Null” wurde maßgeblich durch den Corporate Net Zero Standard der Science Based Targets initiative (SBTi) geprägt. Dieser Standard wurde entwickelt, um Unternehmen eine wissenschaftliche Grundlage zu bieten, auf der sie ihre Strategien zur Emissionsreduktion aufbauen können.

Er zielt darauf ab, die globale Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, indem er tiefgreifende Emissionsreduktionen und echte Klimaschutzmaßnahmen fördert. Dazu bietet er klare Definition und Richtlinien, wie Unternehmen ihre Treibhausgasemissionen tiefgreifend reduzieren können, bevor sie über Kompensationen nachdenken.

Für die Erreichung von „Net Zero“ nach den strengsten Standards, wie denen der Science Based Targets initiative (SBTi), ist die Einbeziehung von Scope 3-Emissionen entscheidend. Der SBTi Net Zero Standard verlangt explizit, dass Unternehmen Maßnahmen zur Reduktion von Emissionen über alle drei Scopes hinweg ergreifen, wobei ein besonderer Fokus auf die umfangreichen und oft vernachlässigten Scope 3-Emissionen gelegt wird.

2. Die Herkunft von “Net Zero” im Corporate Net Zero Standard der SBTi

Der Corporate Net Zero Standard der SBTi fordert von Unternehmen, ihre Emissionen um mindestens 90-95% gegenüber einem festgelegten Basisjahr zu reduzieren, bevor sie überhaupt Kompensationsmaßnahmen in Betracht ziehen dürfen. Dieser Ansatz basiert auf der neuesten Klimawissenschaft und stellt sicher, dass Unternehmen echte Veränderungen in ihrer CO2-Bilanz vornehmen, anstatt sich auf externe Kompensationen zu verlassen, die möglicherweise weniger Impact haben.

Wissenschaftliche Grundlage

Die Festlegung dieses Standards basiert auf der neuesten Klimaforschung, die deutlich macht, dass signifikante und sofortige Reduktionen der Treibhausgasemissionen unerlässlich sind, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Die SBTi nutzt umfassende wissenschaftliche Daten, um sicherzustellen, dass ihre Vorgaben nicht nur ambitioniert, sondern auch realistisch und technisch machbar sind. Der Standard berücksichtigt verschiedene Szenarien und Modelle aus der Klimawissenschaft, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die gesetzten Ziele die globale Erwärmung auf 1,5°C über vorindustriellen Niveaus begrenzen können.

Reduktion vor Kompensation

Der klare Fokus des Standards auf die Reduktion der Emissionen vor jeglicher Kompensation ist entscheidend. Diese Priorisierung trägt dazu bei, dass Unternehmen ihre Geschäftsmodelle grundlegend überdenken und sich auf Innovationen und Effizienzsteigerungen konzentrieren, die zu echten Emissionsminderungen führen. Kompensationen, obwohl nützlich, sollten als letztes Mittel betrachtet werden, um verbleibende Emissionen anzugehen, die nach maximalen Anstrengungen zur Reduktion noch bestehen. Dies verhindert, dass Unternehmen sich auf den oft kritisierten “Kauf von Klimaneutralität” verlassen, bei dem Emissionen durch Zahlungen an externe Projekte ohne direkte Reduktion der eigenen Emissionen ausgeglichen werden.

Transparenz

Ein weiteres Schlüsselelement des Corporate Net Zero Standards ist die Forderung nach Transparenz. Unternehmen, die sich verpflichten, diesen Standard zu erreichen, müssen regelmäßig und detailliert über ihre Fortschritte berichten. Diese Berichte werden öffentlich zugänglich gemacht, was Stakeholdern, einschließlich Investoren, Kunden und der Zivilgesellschaft, ermöglicht, die realen Fortschritte zu bewerten.

Erfolgreich ins CO2-Management starten

So gelingt der Prozess der CO2-Erhebung:
Ressourcen, Dauer & Vorgehen

18. September 2024, 10.30 bis 11.15 Uhr

3. Was ist der Unterschied zwischen “Net Zero” und “Klimaneutralität”?

 

Im Kontext der Umweltstrategien von Unternehmen ist der Begriff „Klimaneutralität“ weit verbreitet, aber oft missverstanden oder in seiner Bedeutung vereinfacht. Traditionell bedeutet Klimaneutralität, dass die CO2-Emissionen eines Unternehmens vollständig durch Kompensationsmaßnahmen ausgeglichen werden, beispielsweise durch den Kauf von CO2-Zertifikaten oder die Unterstützung von Aufforstungsprojekten. Diese Methode erlaubt es Unternehmen, weiterhin Treibhausgase zu emittieren, solange diese Emissionen an anderer Stelle neutralisiert werden.

Wissenschaftsbasierte Reduktion vor Kompensation

Im Gegensatz zur “Klimaneutralität” fordert der Corporate Net Zero Standard der SBTi eine signifikante Reduktion der Emissionen über Scope 1, 2 und 3, bevor Kompensationen in Betracht gezogen werden. Unternehmen müssen ihre direkten und indirekten Treibhausgasemissionen um mindestens 90-95% reduzieren. Dies basiert auf der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass drastische Emissionsreduktionen nötig sind, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern.

Umfang über Scope 1, 2 und 3

Für die Erreichung von „Net Zero“ nach den strengsten Standards, wie denen der Science Based Targets initiative (SBTi), müssen die Emissionen über Scope 1, 2 und 3 einbezogen werden. Für die Erreichung von Klimaneutralität gibt es keinen standardisierten Umfang. Manche Programme und Zertifikate Unternehmen erlauben es , sich auf Scope 1 und Scope 2 zu konzentrieren. Ideal ist die Einbeziehung auch von Scope 3-Emissionen, um eine ganzheitliche und effektive Klimastrategie zu gewährleisten, besonders in Branchen, in denen diese Emissionen einen großen Teil der Gesamtemissionen ausmachen. In der Kommunikation sollte in jedem Fall transparent gemacht werden, über welchen Scope-Umfang sich die Klimaneutralität erstreckt.

Langfristige Verantwortung und echte Veränderung

Diese Herangehensweise zwingt Unternehmen dazu, ihre Kernprozesse und -praktiken zu überdenken und in nachhaltigere Technologien und Methoden zu investieren. Es geht darum, eine echte Transformation in der Art und Weise zu bewirken, wie Unternehmen operieren, statt sich auf externe Projekte zu verlassen, die möglicherweise nicht dieselbe Langzeitwirkung oder direkte Relevanz für die eigenen Emissionen haben. Die Reduktionsverpflichtung vor der Kompensation fördert tiefgreifendere und nachhaltigere Veränderungen in der Geschäftswelt, die über reine Zahlen hinausgehen.

Kritik an traditioneller Klimaneutralität

Traditionelle Methoden der Klimaneutralität können manchmal zu „Greenwashing“ führen, wo die tatsächlichen Umweltauswirkungen eines Unternehmens durch die Kompensationen verschleiert werden. Es gibt Bedenken, dass solche Kompensationsmaßnahmen oft nicht ausreichend überprüft werden, was ihre Wirksamkeit und Nachhaltigkeit betrifft. Darüber hinaus könnte die Betonung auf Kompensation die dringend benötigte Innovation innerhalb des Unternehmens in den Hintergrund drängen. 

Briefing CSRD Richtlinie

Infoblatt für Scope 1, 2 und 3

  • mit zusammenfassender Erklärung,
  • praktischen Beispielen und
  • Hilfestellung zum Vorgehen bei der Scope 3 Erfassung

4. Wer ist von der Netto-Null-Forderung betroffen?

Die Forderung nach Netto-Null-Emissionen kommt von einer breiten Koalition von Stakeholdern, einschließlich Regierungen, internationalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, Investoren und der Zivilgesellschaft. Im Rahmen internationaler Vereinbarungen wie des Pariser Abkommens haben sich viele Länder dazu verpflichtet, bis zur Mitte des Jahrhunderts Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Dies übt Druck auf die Industrie aus, entsprechende Klimaziele zu formulieren und umzusetzen.

Ist der SBTi Net Zero Standard verpflichtend für CSRD-pflichtige Unternehmen?

Die CSRD verlangt von Unternehmen, dass sie nach dem ESRS E1 Standard über ihre Auswirkungen auf das Klima berichten und dabei offenlegen, wie ihre Strategien zur Erreichung der Klimaziele beitragen. Dies schließt Informationen über die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen und die angewandten Methoden ein.

Obwohl die CSRD den SBTi Net Zero Standard nicht explizit nennt, fordert sie Unternehmen dazu auf, ihre Berichterstattung an international anerkannten Rahmenwerken und Standards auszurichten. Viele Unternehmen wählen daher den SBTi als Grundlage für ihre Zielsetzungen, da dieser als Goldstandard für wissenschaftsbasierte Zielsetzungen gilt und breite Anerkennung findet.

 

Abonnieren Sie kostenfrei unsere Klima-News und verpassen Sie keine Branchen-Neuigkeiten oder Beiträge!

Ähnliche Beiträge

JETZT HANDELN LOHNT SICH

Bei dem Thema Nachhaltigkeit bzw. ökologische Tragfähigkeit stehen der Klimawandel und die menschliche Einflussnahme auf diesen im Zentrum, weil in kaum einem anderen Bereich Umweltwirkungen so gut gemessen und mit Zahlen belegt werden können. Der Indikator sind hier die anthropogenen Emissionen, also die Treibhausgasemissionen, die vom Menschen verursacht werden und zur Klimaerwärmung beitragen.

Was bedeutet das im Kontext des nachhaltigen Wirtschaftens? Jedes Unternehmen sollte seine Treibhausgasemissionen – die bei der betriebswirtschaftlichen Leistungserstellung unvermeidbar sind – so gering wie möglich halten. Nachhaltiges Wirtschaften lässt sich nicht auf Knopfdruck erreichen, doch ein auf ökologischen Kennzahlen basierter, ständiger Optimierungsprozess ist der entscheidende Ansatz.

Indem Sie die für Ihr Unternehmen, für Ihr Produkt oder für Ihre Dienstleistung anfallenden Treibhausgasemissionen erfassen, können Sie Potenziale zur Emissionsreduktion identifizieren. Damit sind in der Lage, Ihre Prozesse zu optimieren und zudem Kosten einzusparen. Gegenüber Ihren Kunden und Lieferanten kommunizieren Sie, dass Sie die Verantwortung für die von Ihnen verantworteten Emissionen übernehmen. Damit können Sie Vertrauen aufbauen und sich auf Anforderungen Ihrer Unternehmenspartner einstellen.

Jetzt handeln lohnt sich

Wenn Sie Ihre Emissionen kennen, sind Sie auf vorhersehbare strengere gesetzliche Vorgaben, wie die steigende Besteuerung von Treibhausgasemissionen oder die verpflichtende Umsetzung investitionsintensiver Maßnahmen, vorbereitet. Diese Komponente in Ihrem unternehmerischen Risikomanagement abzubilden, ist langfristig unerlässlich.

Aufgrund der andauernden gesellschaftlichen Forderung nach Klimaschutz, hat inzwischen sogar die europäische Zentralbank unter Christine Lagarde den unabwendbaren Kurs eingeschlagen, Kapital bevorzugt den Unternehmen zufließen zu lassen, die sich nachweislich mit Klimaschutz befassen. In dem Kapitalfluss großer Vermögensverwalter, wie z.B. BlackRock, zeigt sich dieselbe Richtung. Ihr Vorsitzender Larry Fink schreibt in einem Brief an seine CEOs, dass Unternehmen, die sich nicht mit dem Thema Ökologie ernsthaft und transparent auseinandersetzen, nicht mehr zukunftsfähig sind und deshalb auch nicht mehr in diese investiert wird.

Klimaschutz als Unternehmen professionell und nachweisbar zu betreiben, ist also bereits in naher Zukunft unausweichlich. Wenn Ihr Unternehmen zu denjenigen gehört, die sich zuerst dieser Situation stellen, bauen Sie einen Vorreitereffekt auf, der auf die Berücksichtigung der hervorsehbaren gesetzlichen Vorgaben vorbereitet, langfristig niedrigere Kapitalkosten mit sich bringt und Vorteile im Markt garantiert!

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner