Klimareporting BlogScope 4: Vermiedene Emissionen jenseits von Scope 1-3

|  11. April 2024

Scope 4 revolutioniert das Emissionsmanagement: Vermiedene Emissionen jenseits von Scope 1-3

Neben den gängigen Begriffen Scope 1, 2 und 3 rückt derzeit ein neuer Begriff in den Fokus: Scope 4. Diese Kategorie, auch als “vermiedene Emissionen” bekannt, bietet Unternehmen eine neue Perspektive, ihren Einfluss auf das Klima zu bewerten und zu kommunizieren. Aber was bedeutet Scope 4 genau, und warum gewinnt er zunehmend an Bedeutung?

🕓 Lesezeit 14 Minuten

Scope 4

1. Was sind Scope 4 Emissionen?

 

Im komplexen Geflecht der Klimaverantwortung von Unternehmen sind Scope 1, 2 und 3 gängige Begriffe, die die direkten und indirekten Emissionen eines Unternehmens umschreiben. Doch nun rückt ein neuer Begriff in den Fokus: Scope 4.

Scope 4-Emissionen, oft als “vermiedene Emissionen” bezeichnet, umfassen die Treibhausgasreduktionen, die indirekt durch die Nutzung von Produkten oder Dienstleistungen eines Unternehmens im Vergleich zu konventionelleren Alternativen erreicht werden. Scope 4-Emissionen repräsentieren also die GHG-Emissionen (Greenhouse Gas Emissions), die durch die Nutzung von Produkten oder Dienstleistungen eines Unternehmens im Vergleich zu herkömmlichen Alternativen vermieden werden. Dieser Ansatz ermöglicht es Unternehmen, nicht nur ihre eigenen Emissionen zu reduzieren, sondern auch einen positiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, indem sie innovative Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Die Quantifizierung dieser vermiedenen Emissionen eröffnet eine neue Dimension der Umweltverantwortung und des Klimamanagements.

Sie gehen über die direkten (Scope 1) und indirekten (Scope 2 und 3) Emissionen eines Unternehmens hinaus und betrachten die positiven Auswirkungen, die ein Unternehmen auf die Umwelt hat, indem es beispielsweise energieeffizientere Lösungen anbietet, die den Endverbrauchern helfen, ihre eigenen Emissionen zu verringern.

Diese Kategorie ist jedoch nicht standardisiert und ihre Messung und Berichterstattung sind komplexer als bei den ersten drei Scopes.

2. Für wen ist Scope 4 interessant?

 

Scope 4 für alle Stakeholder interessant, die an einem umfassenden Verständnis der Klimaauswirkungen von Unternehmen interessiert sind und die über die traditionellen Grenzen von Scope 1, 2 und 3 hinausblicken wollen, um die positiven Effekte von Produkten und Dienstleistungen in Betracht zu ziehen.

Unternehmen

Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen anbieten, die zu einer Verringerung der Treibhausgasemissionen bei ihren Kunden führen, finden in Scope 4 eine Möglichkeit, diesen positiven Einfluss zu quantifizieren und zu kommunizieren. Es ermöglicht ihnen, ein umfassenderes Bild ihrer Umweltauswirkungen zu zeichnen, was für die interne Strategieentwicklung und die Positionierung im Markt nützlich sein kann.

Briefing CSRD Richtlinie

Infoblatt für Scope 1, 2 und 3

  • mit zusammenfassender Erklärung,
  • praktischen Beispielen und
  • Hilfestellung zum Vorgehen bei der Scope 3 Erfassung

Investoren

Investoren, die in nachhaltige Unternehmen investieren möchten, können Scope 4 als Indikator für das Engagement eines Unternehmens in Bezug auf Umweltverantwortung und Innovation betrachten. Dies kann bei der Bewertung von ESG-Faktoren (Environmental, Social, Governance) eine Rolle spielen.

Verbraucher

Verbraucher, die zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit legen, können von Scope 4-Informationen profitieren, um fundiertere Entscheidungen beim Kauf von Produkten oder Dienstleistungen zu treffen, die zu einer Verringerung ihrer eigenen Carbon Footprints beitragen.

Politik und Regulierungsbehörden

Regierungen und politische Entscheidungsträger können Scope 4-Daten nutzen, um die Wirksamkeit von Umweltpolitiken und -programmen zu bewerten und zu verstehen, wie Unternehmen zur Erreichung nationaler oder internationaler Klimaziele beitragen.

3. Was sind konkrete Anwendungsbeispiele aus verschiedenen Branchen?

 

Scope 4-Emissionen, oder vermiedene Emissionen, bieten branchenübergreifend interessante Anwendungsmöglichkeiten. Hier sind einige konkrete Beispiele aus verschiedenen Branchen:

Energiesektor

Ein Unternehmen, das erneuerbare Energieanlagen herstellt und installiert, könnte die vermiedenen Emissionen berechnen, die aus der Nutzung seiner Solarpanels oder Windturbinen im Vergleich zu herkömmlichen Energiequellen resultieren. Dies verdeutlicht den Beitrag des Unternehmens zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen.

Technologiebranche

Ein Hersteller von energieeffizienten Servern und Datenzentren könnte quantifizieren, wie seine Produkte dazu beitragen, den Energieverbrauch und damit die CO2-Emissionen seiner Kunden zu reduzieren. Dies gilt insbesondere im Vergleich zu älteren oder weniger effizienten Technologien.

Automobilindustrie

Ein Autohersteller, der Elektrofahrzeuge produziert, könnte die vermiedenen Emissionen im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren berechnen. Diese Berechnung könnte dabei helfen, den potenziellen Beitrag zur Emissionsreduktion durch den Wechsel zu Elektromobilität hervorzuheben.

Bauindustrie

Ein Unternehmen, das energieeffiziente Gebäudelösungen wie bessere Isolierungen oder energieeffiziente Fenster anbietet, könnte die vermiedenen Emissionen durch den reduzierten Energiebedarf für Heizung und Kühlung im Vergleich zu Standardbauten bewerten.

Konsumgüterindustrie

Ein Hersteller von Haushaltsgeräten könnte die Energieeinsparungen und damit die vermiedenen Emissionen seiner energieeffizienten Geräte im Vergleich zu herkömmlichen Modellen berechnen. Dies hilft nicht nur, das Umweltbewusstsein zu stärken, sondern auch, Verbraucher zu informieren.

Landwirtschaft

Ein Anbieter von fortschrittlichen Düngemitteln oder Bewirtschaftungsmethoden, die die Erträge erhöhen und gleichzeitig den Bedarf an landwirtschaftlichen Inputs reduzieren, könnte die vermiedenen Emissionen durch verringerten Einsatz von Treibstoffen, Düngemitteln und anderen Ressourcen berechnen.

Die Scope 3 Wesentlichkeitsanalyse mit Fallbeispielen vermittelt

Mit dieser GHG-Methode identifizieren Sie Ihre signifikanten Kategorien und reduzieren Ihren Aufwand spürbar

4. Reduziert Scope 4 die Scope 1, 2 und 3 Emissionen?

 

Scope 4, oder vermiedene Emissionen, haben genauso wie auch Kompensationen keinen direkten Einfluss auf die Scope 1, 2 und 3 Emissionen eines Unternehmens. Stattdessen stellt Scope 4 eine separat auszuweisende Kategorie dar, die die positiven Auswirkungen eines Unternehmens auf die Emissionsreduzierung außerhalb seiner eigenen Betriebsgrenzen misst.

Im Wesentlichen ist Scope 4 eine Art der Berichterstattung über den positiven Einfluss eines Unternehmens auf die Reduzierung von Emissionen in der breiteren Welt, nicht eine Reduzierung seiner eigenen direkten oder indirekten Emissionen. Es ist ein Instrument, um die externen Vorteile der Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens hervorzuheben, wie z.B. wie Telekonferenzdienste dazu beitragen können, Geschäftsreisen und damit verbundene Emissionen zu reduzieren, die außerhalb der direkten Kontrolle des Unternehmens liegen.

5. Nach welchem Standard wird Scope 4 bilanziert?

 

Aktuell gibt es keinen allgemein anerkannten Standard für die Bilanzierung von Scope 4-Emissionen. Da Scope 4 ein relativ neues Konzept ist und sich von den traditionellen Emissionskategorien (Scope 1, 2 und 3) unterscheidet, die durch Protokolle wie das Greenhouse Gas Protocol gut etabliert sind, befinden sich die Richtlinien und Standards für Scope 4 noch in der Entwicklung.

Unternehmen, die vermiedene Emissionen berichten möchten, orientieren sich oft an bestehenden Rahmenwerken und Standards für ähnliche Berechnungen, passen diese jedoch an die spezifischen Anforderungen der Berechnung vermiedener Emissionen an. Diese Anpassung kann beispielsweise durch eine detaillierte Lebenszyklusanalyse (Life Cycle Assessment, LCA) von Produkten oder Dienstleistungen erfolgen, wobei vermiedene Emissionen im Vergleich zu einem festgelegten Baseline-Szenario gemessen werden.

Unternehmen sollten bei der Berichterstattung über vermiedene Emissionen auf Transparenz, Konsistenz und Nachprüfbarkeit achten, um die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben zu gewährleisten. Angesichts des Mangels an festgelegten Standards ist wichtig, die Methodik und Annahmen, die ihren Berechnungen zugrunde liegen, klar zu kommunizieren, damit Stakeholder die berichteten vermiedenen Emissionen nachvollziehen und bewerten können.

In der Zukunft ist es möglich, dass spezifischere Richtlinien und Standards entwickelt werden, um Unternehmen bei der Kalkulation und Berichterstattung von Scope 4-Emissionen zu unterstützen.

Erfolgreich ins CO2-Management starten

So gelingt der Prozess der CO2-Erhebung:
Ressourcen, Dauer & Vorgehen

18. September 2024, 10.30 bis 11.15 Uhr

6. Wie bilanziert man vermiedene Emissionen?

 

Die Bilanzierung vermiedener Emissionen ist ein komplexer Prozess, der eine sorgfältige Analyse erfordert, um die Treibhausgasreduktionen zu bestimmen, die durch den Einsatz eines Produkts oder einer Dienstleistung im Vergleich zu konventionellen Alternativen erreicht werden. Zunächst muss ein Baseline-Szenario definiert werden, das als Referenzpunkt dient, gegen den die vermiedenen Emissionen gemessen werden. Dieses Baseline-Szenario könnte beispielsweise der Branchendurchschnitt oder das konventionelle Produkt sein, das ersetzt wird.

Nach der Auswahl des spezifischen Produkts oder der Dienstleistung, für das oder die die vermiedenen Emissionen berechnet werden sollen, ist es notwendig, umfassende Daten über den gesamten Lebenszyklus sowohl des Produkts oder der Dienstleistung als auch der Baseline-Alternative zu sammeln. Dies umfasst alle Phasen von der Rohstoffgewinnung über die Produktion und Nutzung bis hin zur Entsorgung.

Eine Lebenszyklusanalyse (Life Cycle Assessment, LCA) wird durchgeführt, um die Gesamtemissionen beider Szenarien zu ermitteln. Die Differenz zwischen den Gesamtemissionen der Baseline und denen des Produkts oder der Dienstleistung gibt die vermiedenen Emissionen an.

Für eine transparente Kommunikation sollten Unternehmen detailliert berichten, wie sie die vermiedenen Emissionen berechnet haben, einschließlich der verwendeten Methoden und Annahmen. Da sich sowohl Technologien als auch Marktszenarien verändern können, ist es wichtig, diese Berechnungen regelmäßig zu aktualisieren und zu überprüfen. Obwohl es noch keine universellen Standards für die Berechnung von Scope 4 gibt, ist es für Unternehmen wesentlich, transparente, konsistente und nachprüfbare Verfahren zu verwenden, um das Vertrauen von Stakeholdern und Kunden zu stärken.

Vermiedene Emissionen in Scope 4 des Corporate Carbon Footprint

Beim Corporate Carbon Footprint (CCF) lassen sich vermiedene Emissionen aller relevanten Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens in Summe einbeziehen. Diese ergeben dann die Scope 4 Emissionen.

Darunter fallen auch klimafreundliche Unternehmenspraktiken, die Emissionen im Vergleich zu herkömmlichen Praktiken reduzieren. Beispielsweise verringern Online-Meetings den Reisebedarf und verhindern dadurch Emissionen, die bei Reisen angefallen wären.

Vermiedene Emissionen bei einer Product Carbon Footprint Bilanzierung mit Szenariovergleich

Vergleichbar geht man auch bei der Erhebung eines einzelnen Product Carbon Footprint (PCF) mit Szenariovergleich vor. Ein Szenariovergleich im Kontext einer PCF-Bilanzierung kann verschiedene Versionen eines Produkts oder verschiedene Nutzungsszenarien vergleichen, um zu zeigen, wie Änderungen im Design oder in der Nutzung die Gesamtemissionen des einzelnen Produktes beeinflussen können.

 

 

Abonnieren Sie kostenfrei unsere Klima-News und verpassen Sie keine Branchen-Neuigkeiten oder Beiträge!

Entdecken Sie unsere E-Learnings und Seminare

Hier finden Sie praxisorientierte Weiterbildungen rund um die Treibhausgas-Berichterstattung

Neu

Scope 3 Datendilemma

Zwischen Datenlücken und Datenbergen: Bewältigung nach GHG in der Praxis

Am beliebtesten

Wesentlichkeitsanalyse und Datenvorbereitung beim CO₂-Reporting

Welche Scope 1 bis 3 Daten sind nach GHG tatsächlich relevant?

CO₂-Reporting für KMUs: Professionelle Grundlagen

Basiswissen für den erfolgreichen Umgang mit Treibhausgas-Berichterstattung in KMUs 

ESRS E1 Klimawandel durchleuchtet + Beispielbericht

Erstbericht als Mittelständler pragmatisch umsetzen

Ähnliche Beiträge

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner