| 31. Juli 2024
🕓 Lesezeit 8 Minuten
1. Einführung in die Problematik
Unternehmen weltweit stehen unter zunehmendem Druck, ihre Klimaauswirkungen transparent zu machen. Dies betrifft insbesondere die Berichterstattung über Scope 3-Emissionen, die alle indirekten Emissionen umfasst, die nicht direkt durch die eigenen Betriebsaktivitäten entstehen. Scope 3-Emissionen umfassen auch Emissionen aus eingekauften Produkten, sowie durch Weiterverarbeitung, Nutzung und Entsorgung verkaufter Produkte. Diese Kategorien sind oft die umfangreichsten und vielfältigsten, was die Erfassung und Berichterstattung komplex macht.
Viele Unternehmen stehen daher vor der Frage: “Muss ich als Unternehmen wirklich jedes einzelne Produkt in meiner Bilanz ausweisen?” Angesichts der Vielfalt und Menge der Produkte kann dies eine überwältigende Aufgabe sein.
Der vorliegende Artikel bietet eine Anleitung, wie Unternehmen diesen Prozess durch effiziente Strategien und den Einsatz des Pareto-Prinzips vereinfachen können, um die Ressourcen besser zu nutzen und gleichzeitig die Transparenz gegenüber Stakeholdern zu erhöhen.
2. Methoden zur Klassifizierung von Waren in Warengruppen
Gänige Praxis der Gruppierung
Die Zusammenfassung von einzelnen Waren zu Warengruppen ist ein zentraler Schritt, um die Komplexität in der Emissionsbilanzierung zu reduzieren und eine effiziente Datenanalyse und Berichterstattung zu ermöglichen. Durch die Gruppierung ähnlicher Produkte oder Materialien können Unternehmen bedeutende Einsichten gewinnen und ihre Strategien zur Reduzierung von Emissionen zielgerichteter gestalten.
Die Methoden zur Gruppierung von Waren nach Materialart, Herkunftsland oder Anwendungsbereich finden Unterstützung in Standards wie ISO 14001, dem Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol), den Global Reporting Initiative (GRI) Standards und Life Cycle Assessment (LCA) Methodologien.
Für eingekaufte Waren wie auch für verkaufte Waren gibt es unterschiedliche Möglichkeiten:
💎 Gliederung nach Materialart
Eine gängige Methode zur Gruppierung von eingekauften Waren ist die Klassifizierung nach der Art des verwendeten Materials.
Dies ist besonders nützlich in Industrien, wo die Materialbeschaffenheit entscheidend für die Umweltauswirkungen ist. Beispielsweise können Metalle in Gruppen wie “Stahl”, “Aluminium” und “Kupfer” unterteilt werden. Innerhalb dieser Kategorien kann weiter differenziert werden, z. B. zwischen “warmgewalztem Stahl” und “kaltgewalztem Stahl”. Diese Unterscheidung ist relevant, da der Energiebedarf und die damit verbundenen Emissionen zwischen den Herstellungsverfahren variieren können.
Beispiel
- Stahl
- Warmgewalzter Stahl
- Kaltgewalzter Stahl
🌍 Gliederung nach Herkunftsland
Die Herkunft von Produkten spielt eine wesentliche Rolle bei der Bewertung von Umwelteinflüssen, insbesondere aufgrund unterschiedlicher Umweltstandards und Transportwege. Durch die Gruppierung von eingekauften Produkten nach ihrem Herkunftsland können Unternehmen besser abschätzen, welche Lieferketten höhere Emissionen verursachen. Dies ist besonders wichtig für global agierende Unternehmen, die eine Vielzahl von Zulieferern aus verschiedenen Ländern haben.
Besonders bei den folgenden Produkten, wie Textilien, Elektronikkomponenten oder Lebensmitteln kann eine Gliederung nach Herkunftsland sinnvoll sein.
Auch ist es häufig sinnvoll, nach Materialart gegliederte Waren weiter nach Herkunftsland aufzuschlüsseln.
Beispiel
- Stahl
- Warmgewalzter Stahl
- Warmgewalzter Stahl aus Indien
- Warmgewalzter Stahl aus China
- Kaltgewalzter Stahl
- Kaltgewalzter Stahl aus Indien
- Kaltgewalzter Stahl aus China
- Warmgewalzter Stahl
🛠️ Gliederung nach Anwendungsbereich
Eine weitere nützliche Klassifizierungsmethode ist die Gruppierung von Waren nach ihrem Anwendungsbereich. Dies kann besonders bei verkauften Waren aufschlussreich sein, da Produkte, die in ähnlichen Kontexten verwendet werden, oft vergleichbare Weiterverarbeitungs- und Nutzungsprozesse und Umweltauswirkungen haben.
Beispiele
Batterien
- Elektromobilität: Diese Batterien werden in Elektroautos verwendet und haben eine hohe Energiedichte, eine lange Lebensdauer und sind oft schwerer zu recyceln, da sie spezielle Lithium-Ionen-Technologien nutzen. Die Produktion und spätere Entsorgung dieser Batterien sind emissionsintensiv, vor allem wegen des Bergbaus für Lithium und Kobalt sowie der energieintensiven Herstellungsprozesse.
- Batterien für Konsumelektronik: Beispielsweise in Smartphones und Laptops verwendet. Diese Batterien sind kleiner, haben eine kürzere Lebensdauer und werden häufiger ersetzt.
Kunststoffe
- Verpackungskunststoffe: Oft einmalig verwendet und führen zu hohen Mengen an Verbrauchsabfällen, die entweder deponiert oder verbrannt werden, was zu hohen Emissionen führt. Die Recyclingraten sind oft niedrig, was die Umweltbelastung weiter erhöht.
- Baukunststoffe: Zum Beispiel PVC in Fensterrahmen oder Rohrleitungen, die eine sehr lange Lebensdauer haben und weniger häufig ersetzt werden. Am Ende ihrer Nutzungsdauer ist die Wiederverwertung dieser Materialien komplex, da sie oft mit anderen Materialien verbunden sind, was die Emissionen bei der Abfallverarbeitung erhöht.
Textilien
- Fast-Fashion-Textilien: Charakterisiert durch schnelle Produktionszyklen und eine kurze Nutzungsdauer, was zu hohen Abfallmengen führt. Die Entsorgung durch Verbrennung oder Deponierung ist oft emissionsreich.
- Technische Textilien: Zum Beispiel in Geotextilien oder Filtermaterialien verwendet. Diese Produkte haben spezifische, langlebige Anwendungen, die weniger häufig ausgetauscht werden. Ihre Herstellung kann ebenfalls ressourcenintensiv sein, jedoch ist der Gesamteinfluss auf die Emissionen über ihre Lebensdauer hinweg oft geringer im Vergleich zu Fast-Fashion-Produkten.
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3. Effiziente Emissionsbilanzierung durch das Pareto-Prinzip
Priorisierung statt Perfektion
Bei der Emissionsbilanzierung ist es oft ausreichend, sich einen Überblick über die Hauptemissionsquellen zu verschaffen, ohne jedes Detail zu erfassen. Die Hauptquellen können dann in Folgejahren detaillierter bilanziert werden. Die Fokussierung auf die bedeutendsten Emissionsquellen ermöglicht eine effiziente Ressourcennutzung und vereinfacht die Datenverwaltung. Dies unterstützt Unternehmen dabei, signifikante Reduktionen mit minimalem Aufwand zu erreichen.
Die Anwendung des Pareto-Prinzips
Das Pareto-Prinzip, auch als 80/20-Regel bekannt, besagt, dass häufig 80% der Effekte durch 20% der Ursachen hervorgerufen werden. In der Praxis der Emissionsbilanzierung bedeutet dies, dass oft ein relativ kleiner Anteil der Produkte oder Prozesse den Großteil der Emissionen verursacht. Durch die Anwendung dieses Prinzips können Unternehmen ihre Analyse auf die wichtigsten Emissionsquellen fokussieren, was eine effizientere Nutzung der Ressourcen ermöglicht und die Komplexität in der Datenverwaltung reduziert. Diese Methode unterstützt Unternehmen dabei, sich auf die größten Hebel zur Emissionsminderung zu konzentrieren, ohne sich in der Detailtiefe zu verlieren, die mit der Erfassung jeder einzelnen kleinen Emissionsquelle verbunden wäre.
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Integration des Pareto-Prinzips im Einklang mit dem GHG Protocol
Das Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol) bietet einen globalen Standard für die Treibhausgasbilanzierung. Obwohl eine detaillierte Berichterstattung gefördert wird, erkennt das GHG Protocol die Herausforderungen der Datensammlung, besonders bei Scope 3-Emissionen, an. Hier erweist sich die Anwendung des Pareto-Prinzips als bewährt und strategisch sinnvoll, um die komplexen Anforderungen effektiv zu managen.
Pareto für die CSRD
Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verlangt ab 2024 eine detaillierte Berichterstattung über Nachhaltigkeitspraktiken. Auch hier kann das Pareto-Prinzip eine wertvolle Rolle spielen, indem es Unternehmen ermöglicht, ihre Berichterstattung zu priorisieren und sich auf jene Aspekte zu konzentrieren, die die größte Auswirkung auf ihre Treibhasugasbilanz haben. Die Anwendung des Pareto-Prinzips kann somit helfen, die Anforderungen der CSRD effizient zu erfüllen, indem die bedeutendsten Emissionsquellen und -aktivitäten hervorgehoben und zielgerichtete Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltperformance umgesetzt werden.
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